Eingeschränkt? Leben mit einem Kind mit Trisomie 21

Mein Mann erzählt von der Begegnung mit einem alten Bekannten. „Das ist ja auch eine große Einschränkung“, sagte der Bekannte. Gemeint war Lillemor, beziehungsweise das Down-Syndrom. Mein Mann antwortete: „Nö.“ „Ja, aber …“ sagte der Mensch da. Mein Mann unterbrach ihn direkt: „Nö. Keine Einschränkung.“ Ich kann es kaum glauben. „Hat er tatsächlich ‚Ja, aber‘ gesagt?“ will ich wissen. Was hätte dieser Mensch nach dem „ja, aber“ denn sagen wollen? Wer außer uns könnte besser wissen, ob die Trisomie unsere Tochter oder uns einschränkt? 

Ja, Lillemor entwickelt sich langsamer. Ja, Lillemor … ähm … keine Ahnung. Mehr fällt mir schon nicht mehr ein. Ach so, ja Lillemor hat Therapien und die Herz-OP war auch so eine Nummer. Aber fühlen wir uns dadurch eingeschränkt? Nein! Wir leben und lieben Lille und ihren Bruder so sehr. Beide eröffnen uns auf ihre Art neue Welten, die wir ohne Kinder nicht kennengelernt hätten. Ja, wir machen uns Gedanken darüber, wo und wie Lille mal leben wird und womit sie ihre Brötchen verdient. Wer sich als Eltern darüber keine Gedanken macht, werfe den ersten Helikopter. 

Wer Lillemor einmal auf ihrem Fahrzeug erlebt hat, erkennt schnell, dass sie sich von nichts und niemandem einschränken lässt. Sie saust lachend über Puzzleteile, Holzbausteine, Teppichkanten und unsere Füße. Sie scheut weder Geschwindigkeit noch abschüssige Wege. Und mit ihrem Trybike brettert sie draußen Vollkaracho in den Gartenzaun. Was steht der auch so blöd im Weg rum! Solange Lille nicht läuft, fährt sie eben ihre eigene Ralley Dakar. Solange sie nicht spricht, gebärdet sie, zeigt und ruft so oft „da, da, ma, mm mm“ bis Mama kapiert, dass Alexa bitte SOFORT das Lied vom grünen Frosch im Teich spielen soll.  

Lillemor ist eine großartige kleine Persönlichkeit. Wer glaubt, sie wäre eingeschränkt, nur weil sie nicht in das Mainstream-Raster der Leistungsgesellschaft passt, der hat offenbar selbst eine sehr eingeschränkte Sicht auf die Welt und den Wert des menschlichen Lebens. Und solchen Menschen darf Lille dann auch sehr gerne persönlich über den Fuß fahren. Wer nicht hören will, muss fühlen. 

Ein Gedanke zu “Eingeschränkt? Leben mit einem Kind mit Trisomie 21

  1. Avatar von Schaller, Gabi Schaller, Gabi

    Liebe Katrin,
    Ich habe heute am Welt Down Syndrom Tag den Artikel über Ihre Famile in der WP gelesen.
    Was mich als Mutter eines 38 jährigen Sohnes mit dem Down Syndrom einfach traurig macht, ist , dass in fast vier Jahrzehnten die Hürden für die Familien immer noch nicht abgebaut wurden, über die ich ein ganzes Buch schreiben könnte……
    Im Gegenteil; die Krankenkassen radieren mit 9 von 10 abgetriebenen Kindern , die das Down Syndom in sich tragen, „Menschen“ einfach aus. Das macht mich sehr traurig und wütend. Es ist so, als wolle man sich Menschen aus einem Burda Easy Schnittmusterheft aussuchen und alles wird easy …. wo wird das noch enden ?
    Würde gerne mal mit dem deutschen Ethikrat darüber diskutieren.
    Liebe Katrin, Ich wünsche Deiner Tochter ein Leben, in dem ihre Biografie nicht durch dicke Steine , die im Weg liegen , „behindert“ wird. Diese Steine aus dem Weg zu räumen ist doch die größte Last für uns Eltern und nicht der Mensch.
    Diese dicken Brocken haben mir unendlich oft die Kraft genommen für den Blick auf die ganz besondere Weisheit meines Sohnes , tiefgründig- fern vom rein rationalem Denken.

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