Wir betreten die Gastwirtschaft, Lille rast, sie rennt, ab durch die Mitte, direkt in die Küche. „Haaaalloooo, Hallloooooo!“ So deutlich hat sie das Wort selten ausgesprochen, aber die Dame, die da in der Küche steht, schaut auch sehr freundlich aus. Ich fange Lille ab. Bringe sie zurück in den Gastraum. Wir arbeiten hier nicht. Theke und Küche sind Sperrzone. Lille läuft von Tisch zu Tisch. Niemand da bisher. Wie schade. Am Tisch zeigt sie „Trinken“. Ja, wir bestellen dir etwas. Den Teller Pommes isst sie später komplett.
Meine Freundin ehrfürchtig: „Erstaunlich, dass sie nicht kotzt!“ Stimmt, wir haben nicht aufgepasst. Lille hat gesessen und gegessen und gegessen, während wir gegessen und gequatscht haben. Eigentlich war die Portion zu groß. Hat sie kein Sättigungsgefühl? Denke an die Gemüsesuppe zu Hause. Nein, sie ist Kartoffelflüsterin, war total unterpommest und ist Ehrenmitglied von Fridays for Fritten. Sie isst nicht von allem viel und ohne Ende. Auf dem Tisch steht mittlerweile das Handy. Lille Beschäftigungsprogramm zum Essen der Erwachsenen. Mir egal, wer was denkt, sie ist happy, wir werden satt.
Wir führen Tischgespräche: Lille zeigt Licht. Ja, da sind viele Lampen. Sie sind an. Da, da und da. Oh, da ist eine Birne kaputt. Stimmt. Oh, oh. Lille schaut auf die Speisekarte, ich zeige ihr die Buchstaben, Logo to Go. Ich frage sie: „Welcher Buchstabe ist das?“ Sie: „Eeeee.“ 😱 Ich frage: „Und der?“ Lille: „Ooooo.“ Ähm. „Und der?“ „Aaaaa“. Sogar das „K“ versucht sie. Pflegegrad 3, 100 Prozent GBH und liest mit drei Jahren Buchstaben auf der Speisekarte vor. Das kannste keinem erzählen. Ich bin mörderstolz. Lille zeigt müde, will aufstehen, Feierabend für heute. Ich sage: „Wir fahren nach Hause.“ Sie zeigt „Haus“. Ja, wir verstehen uns. „Tschüss“ kann sie noch nicht sagen und so verlässt sie wortlos das Restaurant. Wir kommen gerne wieder.
