Eine Gelddruckmaschine – Der nicht-invasive Bluttest (NIPT)

Mit dem nicht-invasiven Bluttest wurde im Jahr 2012 eine weitere speziell auf das Down-Syndrom zugeschnittene Untersuchungsmethode als IGeL-Leistung (Individuelle Gesundheitsleistung) von der privaten Firma LifeCodexx auf den Markt gebracht. Im Jahr 2016 stellte der Hersteller dann einen Antrag auf Kassenzulassung, der Test sollte in den Leistungskatalog der Krankenkassen übernommen werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beurteilte daraufhin in einer Technikfolgeabschätzung den Nutzen des NIPT. Dafür wurden der aktuelle Stand und die Entwicklungen der Pränataldiagnostik erfasst sowie ein Methodenbewertungsverfahren durchgeführt (Kolleck & Sauter, 2019, S. 9). Der Preis für die Blutuntersuchung lag nach ihrer Einführung bei 1.250 Euro, im Jahr 2019 noch bei 130 bis 600 Euro, je nach gewählter Testoption. Im September 2019 entschied der G-BA, dass die Kosten für den Bluttest im Fall von Risikoschwangerschaften „in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung unter Verwendung einer Versicherteninformation“ von der Kasse übernommen werden sollen (Arp, 2019, S. 1; Gemeinsamer Bundesausschuss, 2019, S. 1). Hauptargument für die Zulassung war, die Klärung des Vorliegens einer Trisomie 13, 18 oder 21 zu ermöglichen, ohne eine invasive Methode mit dem damit verbundenen Fehlgeburtenrisiko nutzen zu müssen (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2019, S. 1).  

Der nicht-invasive pränatale Bluttest untersucht die kindliche DNA im mütterlichen Blut. Diese Blut-Untersuchung ist bereits ab der vollendeten 9. Schwangerschaftswoche möglich (LifeCodexx, 2021). Die Blutuntersuchung erlaubt ein genetisches Screening des Fötus. Zunächst ließ sich nur die Wahrscheinlichkeit für die chromosomale Besonderheit Trisomie 21 erkennen. Heute testet der NIPT auch auf Trisomie 13 und 18, so wie Abweichungen der Geschlechtschromosomen (Rubeis, 2019, S. 100). An dieser Stelle soll darauf hin gewiesen werden, dass das Ergebnis des Tests immer nur eine Prognose, keine Diagnose ist. „Für Trisomie 21 liegt die Erkennungsrate (Sensitivität) bei 99 % und für Trisomie 13 bei 90%.“ (ebd., S. 101).

Der Test gilt als sichere und risikofreie Methode. Bis zur Einführung des NIPT ließ sich das Down-Syndrom bei konkretem Verdacht vorgeburtlich mit Hilfe der Fruchtwasseruntersuchung (Amniocentese) oder der Gewebeentnahme aus dem Mutterkuchen (Chrorionzottenbiopsie) nachweisen. Die Attraktivität des nicht-invasiven pränatalen Bluttest liegt zum einen darin, dass es sich um eine risikolose Untersuchung handelt. Eine einfache Blutabnahme genügt, ein Fehlgeburtenrisiko besteht nicht. Mit diesem Fakt wurde der Test von Herstellern stets beworben: „In einer Pressemitteilung spricht die Firma LifeCodexx bei Einführung des PraenaTests® von »bis zu 700 Kindern […], die jährlich durch Komplikationen bei invasiven Untersuchungen sterben“, zitiert Diana Schneider (2018, S. 230). Zum anderen erlaubt der Test frühere und „einfachere“ Abtreibungsmethoden. Da sich der Bluttest bereits ab der neunten Schwangerschaftswoche anwenden lässt, können die Frauen ihre Schwangerschaft noch per Saugkürretage beenden lassen. „In 99 Prozent aller Fälle erfolgt so der Abbruch in weniger als 15 Minuten“ (Schlögel-Flierl & Dannecker, 2020, S. 43). Ab der 15. Schwangerschaftswoche wird die Geburt medikamentös eingeleitet. Der Embryo verstirbt dann unter der Geburt ohne Einwirkung. Erst ab der 22. Schwangerschaftswoche ergibt sich das „Risiko des Überlebens“, welches wie bereits hier beschrieben, den Einsatz der Kaliumspritze erfordert.   

Der NIPT ist nicht sicher, aber lukrativ

Der Berufsverband der Pränataldiagnostiker bemängelt, dass der NIPT nicht so sicher sei, wie er dargestellt wird. Je nach Alter der Schwangeren ergibt sich eine schlechtere Vorhersagekraft. Testergebnisse können positiv sein, also eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Down-Syndrom aufweisen, sich im Nachhinein aber als falsch herausstellen. Diese Rate wird Richtig-Positiv-Rate genannt. Bei Frauen im Alter von 22 Jahren, die den Test in der 16. Schwangerschaftswoche durchführen lassen, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis richtig-positiv ist, nur bei 49 %. Diese Zahl wird selten kommuniziert (vgl. Gießelmann, 2020, S. 320). Ist das Testergebnis negativ, sei es zu 99 % richtig. Wenn der Test also anzeigt, dass das Kind nicht das Down-Syndrom hat, ist es fast zu 100 % tatsächlich so. Zeigt der Test bei Frauen in der Altersgruppe in dieser Schwangerschaftswoche ein positives Testergebnis, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind tatsächlich Trisomie 21 hat, nur 49 % (vgl. ebd. S. 322). Junge Frauen geraten so in die Gefahr, dass sie ihr Kind abtreiben, obwohl das Kind gesund ist. Darüber hinaus ermögliche die Kostenübernahme einen zusätzlichen Umsatz für die durchführenden Labore. Auch der G-Ba stellt in seiner Technikfolgeabschätzung fest: „Für die Hersteller von nicht-invasiven Pränataltests scheint es in Deutschland einen Markt mit Wachstumspotenzial zu geben, den die Hersteller durch den Antrag auf Eröffnung des Erprobungsverfahrens beim G-BA weiter auszubauen suchten“ (Kolleck & Sauter, 2019, S. 17). Sowohl von Seiten der Ärzteschaft als auch von zivilgesellschaftlichen Verbänden wird die Rolle der Herstellerunternehmen bei der Etablierung und der öffentlichen Darstellung der Tests kritisch gesehen. 

Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte nach eigenen Aussagen mehrfach versucht eine Stellungnahme des Bundestages zu erhalten (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2021, S. 1). Im Deutschen Ärzteblatt heißt es dazu am 23. August 2021: „Im Vorfeld der Entscheidung hatten sich Politiker mehrerer Bundestagsfraktionen gegen die beschlossene Anerkennung der NIPT als GKV-Leistung ausgesprochen und eine parlamentarische Debatte angeregt, die jedoch letztlich nicht stattfand.“ (Deutsches Ärzteblatt, 2021). Der Pädiater Thomas Hoppen umreißt die Idealbedingungen für die Mitteilung der Diagnose: „Die  Informationen  müssen  einfühlsam, so bald wie möglich, in einem passenden  Rahmen  und  möglichst  in  Anwesenheit unterstützender Familienmitglieder oder Freunde vermittelt werden.  Die Eltern sollten genaue und aktuelle Informationen erhalten, einschließlich eines  Überblicks  über  das  DS  und  die Option von Unterstützungsgruppen“ (Hoppen, 2021, S. 40).

Literatur

Arp, D. (2019). Debatte über Trisomie-Bluttests. Gewissheit durch ein paar tropfen Blut. 2019, S. 1, Deutschlandfunk.de. https://www.deutschlandfunk.de/debatte-ueber-trisomie-bluttests-gewissheit-durch-ein-paar.724.de.html?dram:article_id=445864

Deutsches Ärzteblatt. (2021). Nicht invasive Pränataltests: Lob und Kritik zu G-BA-Beschluss. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/126619/Nicht-invasive-Praenataltests-Lob-und-Kritik-zu-G-BA-Beschluss

Gießelmann, K. (2020) Nichtinvasive Pränataltests. Risiko für Fehlinterpretationen. Deutsches Ärzteblatt, 2020 (7), 320-324.

Hoppen, T. (2021). Down-Syndrom. Bestandsaufnahme gut 150 Jahre nach der Erstbeschreibung. Pädiatrie, 2021, 33 (1), 40-45 

Schlögl-Flierl, K. & Dannecker, C. (2020). Abtreibung in Deutschland. Herder Korrespondenz, 2020 (10), S. 42-44

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